Martin Gerber beim Interview. Foto: Dominik Zabel (Auf Bild klicken für MMS)



Gerber im Nationaldress. Foto: Thomas Oswald (Auf Bild klicken für MMS)



...ohne Helm Foto: Thomas Oswald (Auf Bild klicken für MMS)



Gerber mit den Ottawa Senators in seinem dritten und letzten Vertragsjahr. Foto: Christian Häusler (Auf Bild klicken für MMS)



Wohnblöcke im Spiegel der Arena Mytischtschi. Foto: Martin Merk (Auf Bild klicken für MMS)



Die Arena Mytischtschi von innen. Foto: Martin Merk (Auf Bild klicken für MMS)



Martin Gerber: "Ich wollte etwas Neues"

Von Martin Merk

Martin Gerber wechselt nach Russland zu Atlant Mytischtschi. Was vor zwei Wochen als Gerücht bei hockeyfans.ch in Umlauf kam, hat sich am Dienstag bestätigt. Einen Tag nach unserer Veröffentlichung der Meldung sprach Gerber über einen neuen Karriereschritt und wieso er auf ein Engagement beim Stanley-Cup-Sieger Pittsburgh verzichtet.

Gerbers Wechsel nach Russland kam nach den Gerüchten und den Torhüterverpflichtungen innerhalb der National Hockey League nicht überraschend. Der Emmentaler mit seiner Tellerwäscherkarriere vom Zweitliga-Spieler Signaus zum Stanley-Cup-Sieger und Torhüter der berühmten Toronto Maple Leafs verlässt nach sechs Jahren die NHL und stürzt sich in ein neues Abenteuer im Gegenpol zur NHL, der russischen Kontinental Hockey League (KHL).

In Russland erwartet ihn nicht nur eine neue Schrift und ein anderer Stil, es ist eine Art andere Eishockey-Welt im Land des Weltmeisters. Mytischtschi ist Moskaus grösster Vorort und grenzt direkt an der Metropole, doch zum Zentrum kann es im Moskauer Verkehrschaos gut zwei Stunden dauern. Die Stadt ist geprägt von Holzhütten am Waldgebiet und Arbeitersiedlungen im Sowjetstil. Bekannt war der Ort vor allem durch Metrowagonmasch, die Firma, die U-Bahn-Wagen für Städte in Russland und auch andere Städte wie Prag oder Budapest besorgt ist. Seit 2006 die Arena Mytischtschi fertig gestellt und ein anderer Club in die Stadt verlegt wurde, kennt man den Ort vor allem wegen Eishockey. 2007 fand in der schmucken Halle für 7000 Zuschauer auch die WM statt.

Für sein Abenteuer Russland hat Gerber auf einen Vertrag als Goalie Nummer zwei hinter Marc-André Fleury bei den Pittsburgh Penguins verzichtet. In Mytischtschi, wo er seinen früheren Goaliekonkurrenten aus Ottawa Ray Emery (zu Philadelphia) ersetzt, erwartet ihn als Trainer Fedor Kanarejkin, ein Mann mit reichlich Erfahrung bei verschiedenen russischen Spitzenclubs. Fünf Ausländer, davon maximal ein ausländischer Torhüter, sind in der KHL erlaubt. Vier Plätze sind bereits vergeben. Neben Gerber sind dies der finnische Nationalverteidiger Mikko Luoma (neu von HV71), der schwedische Nationalstürmer Fredrik Bremberg (neu von Djurgården) und der frühere NLA-Spieler Eric Landry, der neu von Dynamo Moskau gekommen ist. Auch sonst ist vieles neu beim Spitzenclub, zu dessen Stars mit Oleg Petrow ein weiterer Ex-NLA-Spieler gehört, wie auch Sergej Mozjakin.

Ab Montag geht es los für Gerber, wenn er im finnischen Lahti in die zweite Woche des Trainingslagers stösst. Davor stellte sich "Tinu" noch einigen Fragen. Zu hören wird es über ihn auch mehr in unserer wöchentlichen Radiosendung geben, die am 3. August an den Start geht.

Martin Gerber, hast du dir Tipps von Ray Emery geholt, oder seid ihr nicht so die dicksten Freunde?

Nein, seit wir nicht mehr zusammenspielen, haben wir den Kontakt verloren.

Weisst du, wie es dort so ist?

Nein, nicht gross. Ich weiss, dass es eine Stadt ist, die 160 000 Einwohner hat, die Wikipedia-Angaben aus dem Internet halt, mehr weiss ich im Prinzip nicht. Es sind nur etwa 20 Kilometer vom Stadtzentrum.

Das können in Moskau zwei Stunden mit dem Auto sein.

(lacht) Ja, das habe ich auch gehört. Sich ein Auto zuzutun, hat wohl keinen Sinn.

Du wirst aber wohl in Moskau wohnen?

Ich nehme es nicht an, schon eher in der Nähe der Eishalle. Aber wir gehen erst nächste Woche mal schauen.

Du hattest in dem Fall keine Informanten, die dir erzählten?

David Aebischer erzählte mir ein bisschen, er war ja in Moskau (an der WM 2007, Anm.). Und St. Petersburg kenne ich selber.

Seit wann warst du in Kontakt mit Atlant Mytischtschi?

Seit gut einem Monat, nachdem die WM zu Ende ging.

Sie hatten dich ja auch an der WM beobachtet.

Das wüsste ich nicht einmal, aber mein Agent war dort und hat sondiert.

Hast du bis zuletzt auch bezüglich NHL-Angeboten geschaut?

Ja, ich wir waren bei Pittsburgh dran und hatte bei ihnen Backup sein können, fand aber, dass für mich persönlich vom Alter her es wichtiger wäre, ein Jahr voll durchzuspielen und einen Nummer-1-Job zu machen.

Wärst du bei Toronto geblieben, auch als Nummer zwei?

Bei Toronto wäre es was anderes gewesen. Toronto hatte Priorität und sie haben mir gesagt, dass wenn der Schwede (Jonas Gustavsson, Anm.) nicht kommt, dass ich ein Thema wäre. Aber es ist selbstverständlich, dass wenn sie einen Top-Goalie bekommen, der zehn Jahre jünger ist, dass sie auf ihn setzen. Es war Pech für mich, aber nachdem der Entscheid fiel, wusste ich, dass ich mich umschauen muss.

Sonst ging nirgends ein Türchen auf?

Nein. Es ist halt so gelaufen. Auch weil viele Clubs knapp mit dem Salary Cap sind, haben sie auf junge Torhüter mit Zweiweg-Verträgen gesetzt und geben denen eine Chance. Einige Stellen gingen so zu und sonst wäre ich klar die Nummer zwei gewesen. Bei Toronto hätte ich Chancen gehabt, um mich durchzusetzen, aber es klappte nicht, und es hat noch etwa zehn Torhüter, die keinen Vertrag mehr haben.

Kann man sich den Lohn, gerade nach Steuern, in Mytischtschi in ähnlichem Rahmen vorstellen, wie man es aus der NHL kennt?

Es ist sicher nicht mehr, was ich in der NHL hatte, aber es ja bekannt, dass sie gute Löhne zahlen.

Hast du dich über die russische Liga informiert, und was hältst du eigentlich von der neuen KHL?

Sie unternehmen sehr viel, wollen unbedingt einen Gegenpol zur NHL bilden, investieren sehr viel. Sie haben sehr viel angepasst mit Gesamtarbeitvertrag und Salary Cap. Sie haben sehr viel von der NHL übernommen, versuchen zu kopieren und vorwärtszumachen. Es wird von Jahr zu Jahr besser, es gibt immer mehr die kommen, und mehr Russen die daheim bleiben. Von dem her glaube ich, dass es vom Niveau her eine sehr gute Sache wird. Gerade wenn der Präsident eines Landes dahinter steht, weiss man, dass es sehr gut gemacht wird und dass nichts unterlassen wird, um die Ziele zu erreichen.

Der Ministerpräsident Wladimir Putin sagte vor wenigen Tagen, er möchte auch die Schweiz gerne in der KHL haben. Was sagst du als Schweizer Spieler dazu?

Sie möchten, dass sich etwas bewegt. Es könnte eine Riesensache geben. Es ist zur Zeit sicher schwierig mit der Wirtschaftslage, neue Vereine zu finden.

Du könntest dir also einen SC Bern vorstellen in der russischen Liga?

Ja, sicher, sie haben die Halle, die Fangemeinde dazu, das Budget, es wäre schon denkbar.

War es immer schon in deinen Gedanken, mal in Russland spielen zu wollen?

2004 war ich schon mal in Russland und habe gewerweisst, ob ich gehen soll für ein Jahr, habe es aber zu Gunsten von Carolina sein gelassen, zum Glück. Dann sagten wir uns, wenn es die Situation wieder ergibt, machen wir das, und nun ist der Zeitpunkt gekommen, wenn man das mal machen will, dann jetzt. Ich habe die Energie, um mich durchzusetzen und Fuss zu fassen, deshalb war es die richtige Entscheidung.

Um welchen Club ging es damals?

Das war Kasan.

Hast du dich schon für einen Sprachkurs angemeldet?

Das ist wohl das erste, was ich machen muss. Oder einen Dolmetscher. Momentan habe ich keine Chance, ich weiss nur, dass sie mehr Buchstaben haben als wir. Meinen Namen würde ich aber noch finden.

Warst du auch mit anderen Clubs in Europa in Kontakt? Etwa mit deinem Ex-Club Färjestad, das nach Gustavssons Transfer nach Toronto einen Nachfolger braucht?

Nein, ich war schon in Schweden und hatte eine gute Zeit, ich wollte aber etwas Neues. Es kamen noch andere russische Clubs, aber wir fanden, dass Atlant die besten Voraussetzungen hat für mich.

Es wird wohl aber schon bisschen ein Abenteuer.

Ja, ich wollte etwas Neues und glaube, dass es etwas Gutes werden kann. Es ist sicher auch ein Plus, dass es um Moskau herum ist und nicht irgendwo in Sibirien hinten. Das macht die Sache auch schon etwas einfacher. Nun freue ich mich drauf.

Du hast ja für ein Jahr unterschrieben, ist da auch eine NHL-Klausel im Vertrag?

Nein.

Du hoffst aber schon, wieder in die NHL zurück zu kommen?

Ich hoffe, dass sich eine Chance ergibt, bei einer besseren Situation zurückzukommen, das ist schon ein Ziel. Die KHL ist die zweitstärkste Liga der Welt und da wird es schon die Möglichkeit geben, zurückzukommen, wie es andere Spieler schon gemacht haben. Aber es kann auch sein, dass es mir dort so gut gefällt, dass ich dort bleibe. Es ist alles möglich.

Hast du dich sportliche Ziele gesetzt für die neue Saison?

Zuerst muss ich mal schauen, wie das alles aussieht, aber Ziel ist es sicher, die Nummer eins zu werden und dann können wir weiterschauen.

Wie sieht die Vorbereitung aus?

Zuerst geht es am Montag ins Trainingslager nach Finnland, das morgen beginnt, etwa eine Stunde von Helsinki. Wir werden auch noch eine Woche in Engelberg sein und drei Testspiele dort haben, ich glaube gegen Zürich, Bern und Ambrì.

Reisemässig wird dir wohl noch mehr blühen als in der NHL.

Da es nun die Eastern und Western Conference gibt, wird es nun mehr Spiele um Moskau herum geben und den weiten Trip nach Chabarowsk kommt dann halt einmal. Das sind sieben oder acht Zeitzonen, das ist schon recht happig. Aber das macht man einmal im Jahr.

Du hast für Clubs in vier Ländern gespielt, Russland wird dein fünftes. Da lernst du wohl auch eine neue Hockeykultur kennen.

Ja, in Schweden etwa ist es mehr taktisch-läuferisch, in Russland wird es sehr technisch und schnell sein, Nordamerika ist es physischer. Das wird schon eine Umstellung sein, aber ich denke, dass ich davon profitieren kann. Es ist anderes Eishockey, eine neue Spielart, in der ich Fuss fassen muss.

Wo hat es dir in der NHL eigentlich am besten gefallen in deinen Jahren?

In Toronto, mit Abstand. Es war einmalig dort. Vom Leben her und dem ganzen Paket sicher Anaheim.

hockeyfans.ch wünscht Gerber alles Gute in Russland.